Seit den Wechseljahren habe ich keine Lust auf Sex und bin depressiv

Hallo Beatrice,
ich bin seit 17 Jahren mit meinem Mann zusammen. Wir haben eine Tochter, die jetzt eigenständig wird (16), aber jetzt bin ich in den Wechseljahren. Wir hatten immer viel und guten Sex. Bei mir lässt es allerdings, seit ich in den Wechseljahren bin, rapide nach. Ich habe absolut keine Lust mehr. Selbst auf Zärtlichkeiten reagiere ich im Moment kaum. Ich schiebe das alles auf die Hormone. Mein Mann kann das nicht so richtig nachvollziehen, weil ich ja mal ganz anders war. Er versteht nicht, warum das alles auf einmal weg ist, und ich auch nicht. Ich muss dazusagen, ich habe einen wunderbaren Mann in jeder Hinsicht und wir führen eine gute Ehe. Er ist sehr verständnissvoll und bemüht sich sehr, dennoch habe ich Angst. Ich bin in einem Alter, wo man weiß, dass Sex nicht alles ist wie in jungen Jahren, aber so ganz darauf verzichten möchte ich auch nicht.
Noch etwas. Aufgrund meiner Blasenschwäche habe ich schon 2 OP`s hinter mir (TVT, Gebärmutterentfernung). Nach der ersten wurde es erheblich besser. Aber dann war es wieder zeitweise so schlimm, dass ich mich zur Entfernung entschieden habe. Dies brachte auch nur eingeschränkt Erfolg. Medizinisch ist alles ok. Da spielt meine Psyche mir wieder übel mit. Manchmal brauche ich gar keine Einlagen, ein anderes Mal bin ich trotz Einlagen durch. Das geht mir auch gewaltig an die Nerven, vor allem weil medizinisch ja alles ok ist.
Ich hoffe, Sie haben einen Rat für mich.
Gabi (46)

Liegt es an den Wechseljahren, dass ich nicht gut drauf bin und keinen Sex will?

Liebe Gabi,
ich hätte noch ein paar Fragen:
1) Wie machen sich die Wechseljahre bei Ihnen bemerkbar?
2) Befinden Sie sich deswegen in ärztlicher Behandlung?
3) Wenn ja, wie werden Sie behandelt?
4) Wie groß sind Sie, was wiegen Sie?
5) Sind Sie sonst gesund? Wenn nein, worunter leiden Sie?
6) Die Blasenschwäche besteht also noch, oder? Machen Sie jeden Tag Beckenbodentraining?
7) Was vermuten Sie selbst: welche Faktoren könnten bei Ihnen die Sexlust vermindern?
8) Würden Sie denn Hormone dagegen nehmen?
Bis dann, Beatrice

Liebe Beatrice,
zu ihren Fragen möchte ich noch sagen:
1) seit ca. 3 Jahren habe ich diese Depriphase. Ich heule grundlos, egal ob ich beim Einkaufen, Friseur, im Bus oder im Auto sitze oder sonstwo. Die Stimmung kippt von einer Sekunde auf die andere. Das fing erst mit den Wechseljahren an. Hitzewallungen habe ich nur hin und wieder.
2) Nur zum Teil, vor allem wegen der Blasenschwäche und der Gebärmutter-OP.
3) Manchmal nehme ich Johanniskraut, hochdosiert.
4) Ich bin 1,67 gross und wiege 74 kg, was auch zuviel ist.
5) Außer einem kleinen Herzklappenfehler, der nicht behandlungsbedürftig ist, bin ich gesund.
6) Das Beckenbodentraining hat mir nichts gebracht, deshalb mache ich es nicht mehr.
7) Ich weiß nicht, was meine Lust verhindern könnte, es ist einfach keine da.
8) Hormone möchte ich nicht nehmen, weil ich nichts Gutes davon gehört habe.
Ich hoffe, Sie können mir einen Rat geben, sonst werde ich noch verrückt.
Gabi

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Liebe Gabi,
ich rate Ihnen, folgende Punkte möglichst schnell in Angriff zu nehmen:
1) Gehen Sie zu einem guten Facharzt für Hormone (= Endokrinologe). Lassen Sie einen ausführlichen Hormonstatus machen. Schildern Sie Ihre Beschwerden so deutlich wie möglich, dann wird die Krankenkasse keine Zicken machen. Drei Jahre Depressionen, da muss dringend was unternommen werden.
Die Hauptursache sind wahrscheinlich nicht die Wechseljahre, sondern die Entfernung der Gebärmutter und die damit verbundene Verminderung der Geschlechtshormone!
Ich vermute, dass Sie
a) deutlich zu wenig Östrogen haben – darauf deuten die Depressionen hin. Die würden sich durch eine Östrogen-Ersatztherapie sehr verbessern oder sogar weggehen. Ein guter Endokrinologe kann Ihre Dosis so einstellen, dass die Gefahr von Nebenwirkungen sehr gering ist. In den Medien wird meist nur das Risiko von Hormonen geschildert und zu wenig deren Nutzen. Natürlich wird der Arzt vorher klären, ob bei Ihnen ein Risiko vorliegt, z.B. Brustkrebs bei Ihrer Mutter oder Großmutter.
b) Ferner – und das wird oft vergessen – haben Sie sicherlich auch zu wenig Testosteron. Das männliche Hormon ist ja auch im weiblichen Körper vorhanden und sorgt für die Sexlust – und auch für Vitalität und Lebensfreude. Folge: Stimmungstiefs, Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit. Manche Ärzte trauen sich das nicht, aber man kann Frauen durchaus Testosteron verabreichen.

2) Ihr Übergewicht ist weder gut für den Hormonhaushalt noch für Ihre Inkontinenz, daher rate ich Ihnen zu Gewichtsabnahme und viel Bewegung.
Der Sport bzw. der Muskelzuwachs erhöht auch ein wenig das körpereigene Testosteron, und er erhöht Ihr körperliches Wohlgefühl (was auch wieder Ihrer Stimmung und Lust zugute kommt). Bewegen Sie sich jeden Tag mindestens eine Dreiviertelstunde, z.B. Walking, Radfahren, Schwimmen.

3) Beckenbodentraining ist eigentlich gut gegen Inkontinenz – und gut für die Sexlust! Vielleicht hatten Sie eine falsche Anleitung oder haben nicht konsequent genug geübt. Sie müssen jeden Tag mindestens eine Viertelstunde üben (lässt sich auch aufteilen auf 3 x 5 min), was ja ganz nebenbei geht, z.B. beim Fernsehen oder Telefonieren. Bitte besorgen Sie sich eine gute Anleitung – zum Beispiel «Beckenboden-Training (mit CD) (GU Multimedia Körper, Geist & Seele)».
Falls Ihnen das Training lästig ist oder Sie es immer wieder vergessen, wäre ein Beckenboden-Stimulationsgerät eine sehr gute Idee. Infos dazu finden Sie in diesem Beitrag:
«Seit der Geburt des Kindes Blasenschwäche, zu weite Scheide, Stress: Kein Sex mehr!»
Gute Besserung!
Beatrice Poschenrieder

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