Er hat mich schwer verprügelt, macht jetzt Therapie, soll ich ihm eine Chance geben?

Er verhielt sich immer unreifer und aggressiver, prügelte seine Freundin schließlich krankenhausreif. Kann Therapie ihn nachhaltig ändern?

Er misshandelt, schlägt und bedroht mich

Hallo Beatrice,
ich komme alleine nicht mehr weiter und brauche einfach mal eine Meinung von einer Außenstehenden.
Vor drei Jahren lernte ich meinen Freund kennen und verliebte mich sehr. Als ich ihn kennen lernte, war er noch in einer Beziehung und hatte zu dieser Zeit weder einen Job noch einen Führerschein, ein gutes halbes Jahr gab es damals mich und die andere, oft war er wochenlang bei mir und sie wusste nicht, wo er war. Er sagte damals immer, sie hätte viel für ihn getan, so dass er sie jetzt nicht vor den Kopf stoßen könne… Irgendwann wurde es mir zuviel und ich wollte mich von ihm trennen. Daraufhin verließ er sie und ich war glücklich. Ziemlich schnell zog er dann bei mir, meinem Sohn und meinen Katzen ein; der liebe Mensch wurde plötzlich ein anderer, meine Tiere durften sich nicht mehr überall in der Wohnung aufhalten, weil ihn die Haare störten, mein Sohn war plötzlich ein ständiger Streitpunkt, aber am schlimmsten waren die Zornausbrüche meines Freundes. Mal flog mir in der Küche eine Tomate nach, weil ich angeblich während einer Diskussion die Augen verdreht hätte, dann hat er mir den Inhalt meines Wasserglases übergeleert, weil ich ihn nicht habe zuende reden lassen, als wir wieder einmal einen Streit hatten, was damit endete, dass er das Glas in der Hand zerschlagen hatte, so das er genäht werden mußte.
In all dieser Zeit hat er nicht gearbeitet, weil er eine Umschulung machen wollte, aber nicht wußte, welche. Das Geld, das ihm zur Verfügung stand, hat er für sich ausgegeben, das heißt, ich habe ihn mit finanziert. Oft habe ich ihn für ein paar Tage zu Freunden von ihm geschickt, weil es mich erdrückt hat, Tag und Nacht mit ihm zusammen zusein und alles gemeinsam zu machen, aber wirklich alles! vom Kochen Putzen Einkaufen bis abends baden zu gehen, alles. Keine Zeit blieb für meine Freunde, nicht einmal mehr so richtig für mein Kind. Vor einem Jahr hab ich ihn dann vor die Tür gesetzt, so dass er sich wieder eine eigene Wohnung gesucht hat und wir uns immer an den Wochenende sahen, was auch am Anfang gut lief, dann fing alles wieder von vorne an: ich durfte am Wochenende alles bezahlen, mein Kind hat er als störend empfunden, weil wir keine Zeit für uns hatten etc pp.
Dann ist etwas passiert, womit ich nicht klar komme: Eines Mittags, er lag im Bett und schlief, ich hatte mit meinem Sohn Hausaufgaben gemacht, nahm ich mir ein Buch und legte mich auf den Balkon, mein Freund wollte an diesem Tag nach Hause fahren. Als er wach wurde und merkte, dass ich nicht bei ihm war, wurde er wieder einmal unerträglich, kam mit irgendwelchen Vorwürfen, es wäre langweilig mit mir, ich müsste jetzt ein Buch lesen, anstatt die wenige Zeit, die wir hätten, mit ihm zu verbringen. Er hat mich an diesem Tag so wütend gemacht, dass er von mir eine Ohrfeige bekam (hatte ich vorher noch nie gemacht, aber ich hatte einfach die Schnauze so voll!). Und dann passierte das, womit ich nie gerechnet hätte: er schlug zu. Aber nicht einmal und nicht im Reflex, sondern mehrmals und zum Teil mit der Faust. Ich hatte eine Kiefer- und Schädelprellung und einen Riss im Trommelfell.
Als mein Sohn im Flur rief, wir sollten aufhören, ließ er von mir ab. Gott sei Dank hat mein Sohn es nicht sehen können, da die Tür zu war. Als er wieder normal war, hat er mir Eis für mein Gesicht geholt und wollte eigentlich nicht mehr fahren, aber ich wollte nur noch alleine sein.
Er hat sich jetzt danach einen Job gesucht, macht jetzt eine Therapie, ist der Meinung, dass dies alles nie wieder passieren wird und und und. Das Ganze ist jetzt 8 Wochen her und seitdem habe ich ihn einmal gesehen, auf neutralem Boden. Er will mich zurück, sagt, ich sei seine große Liebe und dass dies nicht mehr passieren würde; dass er alles sehr bereut, dass ihm die Therapie gut tut, dass sein Therapeut meint, das ich ihm wieder vertrauen werde, wenn wir uns ständig sehen und ich merken würde, dass er sich geändert hat.
Nun meine Frage: Wer hilft MIR? Ich bekomme diese Bilder nicht aus dem Kopf und diese Angst, die ich hatte, als er auf mich eingeschlagen hat! Das hat mir der Mensch angetan, der mich liebt; der jetzt noch möchte, dass wir eine gemeinsame Therapie machen, damit wir eine Zukunft haben. Wenn ich abends ausgehe und jemand kennenlerne, der sich für mich interessiert und der dann anruft, weil er mich gerne wiedersehen möchte, macht der Gedanke mir richtig Panik, mit einem Mann allein in einem Raum zusein oder dass er etwas von mir will.
Ich kenn mich so nicht und weiß einfach nicht mehr weiter. Kann ein Mensch wie mein Freund sich ändern? Was mach ich? Weitermachen wie bisher, nicht über das Passierte nachdenken, mir Zeit geben, bis die Erinnerung verblasst? Oder wäre es sinnvoller, mit jemanden darüber zu reden, einem Therapeuten?
Liebe Grüße, Nadja (27)
 

Liebe Nadja,
nur weil er eine Therapie macht und sein Therapeut angeblich sagt, dass du ihm wieder vertrauen wirst (ich glaub das nicht, dass der Therapeut sowas gesagt hat), heißt das noch lang nicht, dass du wieder mit ihm zusammenkommen solltest.
Mein Rat ist ganz eindeutig:
Lass es! Mach sogar einen Riesen Bogen um ihn!

Egal ob er sich in Sachen Gewaltbereitschaft ändert: Du liebst ihn nicht mehr. Vielleicht fehlt er dir manchmal, weil ihr so lange so eng zusammen wart, aber deine Liebe ging verloren durch seine schlechten Eigenschaften, seine Egozentrik, seine Miesepetrigkeit, seine Schnorrerei. Hinzu kommt, dass er klammert wie ein Baby und unreif ist wie ein kleines Kind. Er ist auch emotional stehen geblieben auf dem Stand eines Kindes, daher gerät er komplett aus dem Gleichgewicht, wenn seine Ersatz-Mami sich nicht so verhält, wie er es erwartet (aber schrecklicherweise ist er körperlich nicht auf dem Stand eines Kleinkinds). Der Gewaltausbruch brachte das Fass nur noch zum Überlaufen. Es war höchste Zeit, dass du dich getrennt hast, und du solltest es auch bleiben, all seinen Beteuerungen zum Trotz.
Na klar bezeichnet er dich als “seine große Liebe”, denn so ein nettes bequemes Nestchen, wo er durchgefüttert wird, findet er so schnell nicht wieder.
Und eines versichere ich dir: So schnell ändert sich ein Mensch nicht, und viele mit dieser Störung kriegen es nie nachhaltig geändert. Die Gewalt kann wieder durchbrechen und die anderen schlechten Eigenschaften allemale! Mit gutem Grund hast du noch die Bilder und Gefühle im Kopf von der Misshandlung und bist vorsichtig: Das ist reiner Selbstschutz. Die Panik gegenüber deinem Ex wird immer da sein, die Panik gegenüber anderen Männern wird zurückgehen.
Trotzdem wäre eine unterstützende Therapie für dich sicherlich eine gute Sache, um die Ängste schneller zu überwinden und um die Kraft zu gewinnen, die Trennung durchzuziehen! Schon deinem Sohn zu Liebe, der wirklich etwas anderes verdient hat als einen Stiefvater, der ihn nicht akzeptiert, an ihm rumnörgelt und dir Gewalt antut.
Ich wünsche dir diese Kraft
Beatrice Poschenrieder

Nach oben scrollen