Sie hat die Pille nur kurz genommen, aber seitdem lehnt sie Sex mit mir radikal ab, ekelt sich davor und beschimpft mich, wenn ich was sage
Hallo Beatrice,
ich (männlich, 22 Jahre) bin jetzt knapp 1 1/2 Jahre mit meiner Freundin (21) zusammen und wir führen eigentlich eine sehr schöne Beziehung, da wir uns beide sehr gut ergänzen, ähnliche Ansichten und Interessen haben und viel gemeinsam unternehmen.
Allerdings ist vor gut einem Jahr ein Problem entstanden, welches unsere Beziehung mitlerweile erheblich beeinträchtigt: Wir haben keinen Sex mehr.
Alles fing im Grunde damit an, dass meine Freundin die Pille nicht vertragen hat, zuvor hatten wir ca. einen Monat lang ein sehr prickelndes Sexualleben. Daraus resultierte ein totaler Libidoverlust, sodass für einige Monate sexuell erstmal gar nichts passierte. Die Pille wurde dann auch gleich abgesetzt. Ein Besuch bei der Frauenärztin brachte auch keinen Erfolg, da dieses Symptom angeblich normal sei (aufgrund der Hormone…). Daraufhin wurde der Ring verschrieben, mit dem gleichen Resultat und auch dieser wurde abgesetzt.
Hinzu kam noch, dass bei einer Untersuchung durch die Frauenärztin meiner Freundin Schmerzen zugefügt wurden, sodass sie seitdem auch ein riesiges Problem damit hat, dass etwas in sie “eindringt”.
Mittlerweile ist es wirklich so schlimm geworden, dass sie total ausrastet und mich beschimpft wenn ich nur von Sex rede (O-Ton: Ich brauche keinen Sex, du verdammtes A…). Obwohl ich an das Thema sehr vorsichtig herangegangen bin, fühlt sie sich bei jeder Kleinigkeit unter Druck gesetzt!
An der Pille an sich kann das ganze nicht mehr liegen, denke ich, da meine Freundin mittlerweile auch wieder sexuelle Phantasien hat, diese aber einfach nicht mit mir ausleben möchte, sich einfach vor dem sexuellen Akt ekelt und nicht mehr als etwas schönes ansieht. Wir hatten dann vor einem halben Jahr nochmal probiert miteinander zu schlafen. Allerdings ohne Erfolg, da meistens nach weniger als einer Minute der Sex abgebrochen wurde, da meine Freundin Schmerzen hatte (trotz Gleitgel) und anschließend weinen musste, allerdings eher aufgrund des Ekels vor dem sexuellen Akt.
Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Ich liebe meine Freundin wirklich über Alles und würde auch niemals deshalb Schluß machen, aber ich habe halt einfach Verlangen nach Sex und bin echt total frustriert. Mittlerweile wirkt sich die nichtvorhandene Sexualität auch auf unsere Beziehung aus, da die mangelnde körperliche Nähe zu einer gewissen Kälte führt und dadurch Streit entsteht.
Eine Paarberatung/Therapie können wir uns als finanziell schlecht gestellte Studenten leider nicht leisten, deshalb bin ich für jede Hilfe oder Anregung dankbar,
Mit freundlichen Grüßen
Micha (21)
Lieber Micha,
dass ihre Lust mit der Einnahme der Pille abgestellt wurde, ist eher ein Zufall bzw dies hat nur etwas angestoßen, was ohnehin eingetreten wäre (vielleicht einen Monat später). Wenn ich das richtig verstehe, hattet ihr nur etwa einen Monat lang guten Sex und dann war´s damit vorbei. Das hat damit zu tun, dass psychische Sexblockaden in der ersten Zeit einer Partnerschaft meist noch nicht wirksam werden, weil da noch nicht so viel Nähe ist. Sex ist dann noch nicht “bedrohlich”.
Die Pille und der Ring können die Lust ein bisschen mindern, aber sie würden niemals so krass die Lust abstellen wie bei deiner Freundin. Eine unangenehme Behandlung beim Frauenarzt kann ein Mädchen zwar verschrecken, aber so ein einmaliges und kurzes Erlebnis bewirkt niemals, dass sie eine nachhaltige Abneigung gegen das Eindringen hat. Denn dies ist eigentlich ein natürlicher Trieb, und eine gesunde Frau, die ihren Partner liebt, hat normalerweise Lust auf ihn und wünscht sich, ihm auch sexuell verbunden zu sein und ihn in sich zu spüren. Und beide Faktoren (Pille und Frauenarzt) würden NIEMALS Ekel setzen. Der Ekel und die Sexabwehr kommen von etwas, was viel tiefer liegt und fest im Unterbewusstsein verankert ist. Es klingt unschön, aber deine Freundin hat eine ausgewachsene sexuelle Störung. Das bestätigt auch ihr “O-Ton: Ich brauche keinen Sex, du verdammtes A…” Das ist so schlimm und böse, so etwas zu seinem Partner zu sagen! Ehrlich gesagt, würde ich mir so etwas von meinem Partner nie gefallen lassen, sondern über Trennung nachdenken.
Ich kann´s dir natürlich (noch) nicht sagen, woher das kommt (dazu müsste ich mit ihr im Gespräch in die Tiefe gehen), ich kann dir nur sagen, dass es ja eigentlich normal ist, dass man in einer jungen Liebesbeziehung sehr viel körperliche Nähe austauscht, praktisch täglich zärtlich ist und auch Sex weit häufiger stattfindet als bei euch.
Entweder deine Freundin liebt und begehrt dich einfach nicht, sondern bleibt aus anderen Gründen mit dir zusammen, oder sie hat eine seelische Blockade, die irgendwo in der Kindheit “gesetzt” wurde, oder sie hat ein verstecktes, aber ausgeprägtes Nähe-Problem. In der Regel sind es mehrere Faktoren, die zusammenwirken.
Was dich betrifft: du musst dieses Zu-Wenig an körperlicher Nähe ja nicht hinnehmen. Du musst dich fragen, ob du noch Jahre so weitermachen willst, oder ob du es wagst, deiner Freundin zu sagen: Sie soll an die Ursachen rangehen oder du gehst. Es würde ja schon viel helfen, wenn sie wenigstens mal 1-2 Stunden bei einer Therapeutin macht. Auch an einen Missbrauch ist zu denken. In dem Fall gibt es viele kostenlose Beratungsstellen.
Liebe Grüße
Beatrice Poschenrieder