Auf Pornoseiten werden Frauen immer gedemütigt – stehen Männer drauf?

Wenn Frauen in Pornos erniedrigt, angespritzt, wie Nutten oder Gummipuppen behandelt werden: Ist es genau das, was Männer beim Sex wollen?

Werden Frauen in Pornos immer erniedrigt und gedemütigt? Stehen Männer genau auf das?

Liebe Beatrice,
wenn ich (40) mich so durch Pornoseiten klicke, habe ich den Eindruck, dass letztlich alle Clips die mehr oder minder krasse Demütigung mindestens einer Person zeigen (fast immer weibliche Personen). Es scheint dafür einen riesigen Markt zu geben. Dagegen findet sich zugewandter, gegenseitiger Sex nicht oder kaum. Ich rede hier nicht von Blümchen-Sex mit drei Stunden Streicheln, denn schließlich schließt zugewandter Sex ja Blow Jobs, Deep Throat, Analverkehr, Fesseln etc. nicht aus.
Warum verkauft sich das Demütigen anscheinend so unvergleichlich viel besser?
Was ist so geil am Demütigen von Frauen? Wo kommt das her?
Und ist das tatsächlich das, was ein Großteil der heterosexuellen Männer insgeheim will? Warum?
Viele liebe Grüße
Mia (40)

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Liebe Mia,
vielen Dank für diese interessante Frage!
Ich kann deinen Eindruck nicht ganz teilen. Wenn ich Pornomaterial sichte (egal ob auf DVDs oder im Internet), sehe ich zwar vieles, wo Frauen gedemütigt, erniedrigt oder wie Leibeigene behandelt werden, aber ich sehe es bei weitem nicht in ALLEN Pornos! Meines Erachtens ist es also nur ein Teil. Ich sehe viele Clips und Szenen, wo einfach eine lustvolle Frau bestimmte Spielarten von Sex auslebt oder daran teilhat, freiwillig und mit (gespielter oder echter) Lust. Klar sind diese Spielarten meist nach männlichen Wünschen gefärbt, weil die meisten Pornos ja für Männer gemacht sind und daher männliche Sexwünsche zeigen.
Vielleicht klickst du hauptsächlich auf Seiten, die Sex zeigen, der in Richtung SM / Deep throat, übers Gesicht kommen, Fesseln geht? Dann kriegst du natürlich extrem viele Sequenzen, wo Frauen gedemütigt werden, weil es thematisch zusammenpasst. Wenn du hingegen Filmchen von weiblichen Pornostars schauen würdest, sähest du selten Demütigung.
Aber ich stimme dir zu, dass Pornos selten zugewandten Sex zeigen – ich vermute, weil das a) viele Männer langweilen würde, und b) weil Männer in dem Pornomaterial, was sie anregt, lieber diejenigen sind, nach deren Fasson es läuft. Denn wenn der Mann das Geschehen komplett steuert und er ist der Starke, Tolle und die Frau nur Erfüllungsgehilfin, dann müssen in ihm keine Ängste aufkommen, dass er versagen oder nicht „genügen“ könnte (zugewandter und gegenseitiger Sex erfordert ja, dass der Mann auch die Bedürfnisse der Frau beachtet; da ist viel Raum für vermeintliches „Versagen“, z.B. in Form von vorzeitigem Kommen, Erektionsstörungen, Frau wird nicht erregt, Frau kommt nicht usw.).
Und ein Teil der heute verbreiteten Pornos zeigen eben tatsächlich weibliche Demütigung. Warum stehen manche Männer da drauf? Es erregt nicht nur, es ist auch ein Ventil – derjenige hat Macht über die Frau und kann Frust und Wut an ihr loswerden. Diese Gefühle stammen zum Teil von der ersten Frau, die bei dem Mann Liebe und sexuelle Gefühle hervorrief (Kinder haben solche Gefühle schon ab dem ersten Lebensjahr): In der Regel also die Mutter, die gleichzeitig Anlass zahlreicher Gefühle von Frustration, Wut und Ohnmacht war. Das Gehirn speichert diese Gefühle im Unbewussten, aber so sind sie natürlich noch lange nicht weg, sondern drängen in manchen Situationen wieder hervor, z.B. beim Sex.

Helen Singer Kaplan, eine der Begründerinnen der Sexualtherapie, hat die These aufgestellt, dass Menschen, die in ihrer Kindheit missbraucht (auch emotional), misshandelt, gedemütigt und vernachlässigt wurden,„paraphile“ Sexphantasien entwickeln, und zwar fast immer solche, die mit den erlittenen Misshandlungen zu tun haben – das erlittene Leid wird erotisiert, um die eigene Sexualität zu erhalten (ohne die Phantasien und Paraphilien würde das erlittene Leid dazu führen, dass man sich einem anderen Menschen überhaupt nicht mehr hingeben kann, sie sind also sexualitätserhaltend). Ich denke, da ist was dran.

Dazu kommt, dass die männliche Sexualität von Natur aus deutlich aggressiver ausgerichtet ist als die weibliche. Die männliche ist tendentiell aktiver und aggressiver, die weibliche tendentiell passiver und empfangender. Manche Pornos (und auch viele typische Sexphantasien!) zeigen diese Unterschiede in überzeichneter Form, weil das auf viele Konsumenten erregend wirkt (auch auf viele Frauen!).
Und hinzu kommt, was ich eben schon andeutete: Wenn der Mann in einer Sexszene der Macher, der Steuernde, der unantastbare fehlerfreie „Herr“ ist und die Frau die Erfüllungsgehilfin / Sklavin, dann kann bei vielen zuschauenden Männern die Lust freier fließen, die bei echtem gegenseitigem Austausch unterschwellige Versagensängste hätten. Solche Machtverhältnisse wirken also angstlindernd und unbedrohlich – der Betrachter kann sich einer Allmachtsphantasie hingeben.
(Noch mehr interessante Infos zum Thema Sexualpsychologie findest du in meinem Buch „Sexbewusstsein“.)

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Herzlichst
Beatrice Poschenrieder

Liebe Beatrice,
vielen herzlichen Dank für diese einleuchtenden Erklärungen!
Ja, jetzt ergibt vieles Sinn für mich.
Du hast richtig vermutet: Es waren vor allem BDSM-Seiten, durch die ich mich geklickt hatte. Ich fand aber auch die Clips von weiblichen Pornostars usw. nicht beruhigend, weil Menschen auch dort auf ihre Tauglichkeit für sexuellen Lustgewinn reduziert sind. Ich habe Angst davor, selbst auf meine Tauglichkeit für Lustgewinn reduziert zu werden. Ich schätze, mir geht’s da ähnlich wie den Männern, die Versagensängste haben – nur dass ich die eben von der anderen Seite her besänftige. Ich frage mich aber, wie viele dieser Ängste eigentlich selber schon das Resultat des Porno-Weltbilds sind.
Mir ist dank Deiner Erklärung jetzt auch aufgegangen, warum Pornos keinen “echten”, wirklich durch und durch gehenden Sex zeigen. Bei echtem Sex gibt es ja so unglaublich viele Lust-Quellen, da wirken alle Reize und Emotionen zusammen ziemlich stark. Aber Pornos sind halt auf einen einzigen Sinn beschränkt – da könnten die beiden noch so scharf aufeinander sein, ich kann deren Kribbeln nicht spüren, nichts riechen, fühlen, schmecken usw. Im Porno muss zum Ausgleich dann schon schwereres Geschütz her, und die überzogenen Stereotypen etc. – ja, tatsächlich, die funktionieren (auch bei mir).
Ich finde es immernoch erschütternd, wie groß der Markt für teils krasse Sachen ist – aber auch da finde ich Deinen Hinweis beruhigend, dass Phantasien eben eine Sache sind, tatsächlicher Sex bzw. Wünsche an tatsächlichen Sex meist eine andere Sache. Und auch, dass es entsprechend wohl nicht so ist, dass nahezu alle Männer auch eine “echte” Frau lieber bloß als Sexobjekt hätten. Auch wenn Pornos anderes vermuten lassen.
Vielen herzlichen Dank also – ich kann wieder freier atmen.
Mia

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