Erst vergewaltigte er sie fast, dann fiel er in eine üble Depression

Er wollte gegen meinen Willen in mich eindringen, und als ich dann weinte, passierte etwas mit ihm: Vorher aggressiv, nun depressiv

Was ist mit ihm los? Hat er eine Depression?

Hi Beatrice,
am Wochenende war ich bei meinem Freund (wir sind jetzt ein halbes Jahr zusammen, er ist 20), um den Geburtstag seiner Schwester zu feiern. Als die Party schon zu Ende war und alle gehen wollten, musste mein Freund unbedingt noch eine halbe Flasche Cola-Rum austrinken.
Wir wollten dann bei ihm schlafen gehen.
Doch irgendwie ist er dann “wild” geworden und hat mich ausgezogen und wollte in mich eindringen. Ich hab ihm gesagt, er soll aufhören und dass ich das nicht will und es mir weh tut. Doch er hörte nicht auf, und da ich mich nicht wehren konnte, hab ich angefangen zu heulen. Er ist dann sofort von mir runter und sagte, “Schatz was ist denn los?”, doch ich konnte nicht antworten, weil ich noch weinte. Er hat dann das Licht angemacht und versucht mir in die Augen zu sehen, doch es gelang ihm nicht, weil ich meine Arme davor hielt.
Dann auf einmal hörte er auf und rollte sich zusammen wie ein kleines Kind und legte sich so in die Ecke des Bettes und fing an zu weinen. Er konnte sich nicht mehr beruhigen und wollte sich nicht von mir anfassen lassen. Er sagte dauernd, “ich hab dich verletzt”, “du hast mich nicht verdient”.
Das war die schlimmste Nacht meines Lebens, ich stand auf und wollte nach Hause fahren, weil ich Angst hatte, doch er stand auch auf, hielt mich fest und sagte, “ich lass dich nicht gehen”. Dabei hat er mich so doll gedrückt, dass ich fast keine Luft mehr bekam. Ich sagte ihm, “ich geh nicht weg und will nur das Licht ausmachen”, doch er wolte mich nicht loslassen. Ich musste seine Hand berühren und so mich zum Lichtschalter angeln. Er weinte die ganze Zeit und hat mich nicht angesehen, er sagte, er sei es nicht wert mich anzusehen. Er redete auch über unsere Zukunft und Kinder, die er mit mir haben wollte, und jetzt hätte er alles kaputt gemacht und wollte sich umbringen. Ich hatte solche Angst, dass er das wirklich macht, und habe ganz schlecht geschlafen in dieser Nacht. Am nächsten Morgen konnte er sich an nichts erinnern (angeblich).
Was war das nur?
Ich habe noch nie einen Menschen so verzweifelt und am Boden gesehen.
Was hältst du davon? Denn mit meinen Freunden kann ich über das nicht reden.
Liebe Grüße im Voraus, Caro (18)

Liebe Caro,
au weia… Der Alkohol und dein Weinen haben etwas aus ihm herausgeholt, was er normalerweise fein säuberlich unter Verschluss hat. Ich sehe da: eine versteckte Depression, die möglicherweise mit großen Verlustängsten, sicher aber mit Verletzungen in der Kindheit zu tun hat. Hat ihn seine Mutter verlassen oder auf Abstand gehalten? Vielleicht hat sie auch immer wieder mit heftigem Liebesentzug reagiert, wenn er etwas tat, was ihr nicht gefiel. Sicherlich hat sie dabei öfters geweint und sich heftig von ihm abgewandt. So eine Szene hat er in dieser einen Nacht mit dir wieder erlebt und vielleicht eine Art “Deja-Vu” gehabt ­- die ganzen Ängste der Kindheit kamen wieder hoch.
Das Paradoxe dabei ist, dass er die Situation ja selber provoziert hat. Auch dies vom Alkohol ausgelöst. Und auch dies könnte mit der Depression zusammenhängen. Denn eine Depression hängt oft unter anderem mit einer unterdrückten Aggression zusammen. Vielleicht ist er wütend auf seine Mutter (oder andere wichtige Bezugsperson aus der Kindheit), durfte diese Wut aber nicht zeigen, denn sonst hätte sie sich noch mehr von ihm abgewandt. Die Wut ist aber immer noch da und kann sich gegen eine Frau richten, die ihm ähnlich nahe steht wie seine Mutter. Als seine Selbstkontrolle wegfiel durch den Alkohol, kam seine Wut heraus in Form einer Fast-Vergewaltigung. Du hast sehr richtig reagiert, ihn nicht zu lassen, denn das hätte etwas in dir und zwischen euch kaputt gemacht.

Die Frage ist jetzt allerdings: Wie gehst du damit um?
Vielleicht solltest du erst einmal abwarten, ob etwas Ähnliches noch einmal vorkommt.
Auf jeden Fall musst du ihn darauf hinweisen, dass er da möglicherweise ein unverarbeitetes Problem hat, über das er mal mit einem Fachmann (Psychotherapeut) reden sollte.
Und du musst wachsam bleiben für deine eigenen Bedürfnisse, so wie du das auch in dieser einen Nacht getan hast, als du dich gegen seine sexuelle Nötigung gewehrt hast. Falls er wieder einmal etwas tun sollte, was dir gegen den Strich geht, also z.B. dass er seltsam oder lieblos mit dir umgeht, dann sag es ihm sofort.
Sollte er wieder einmal mit Selbstmord drohen, dann schüttle ihn und sag ihm, er soll den Unsinn lassen: Er soll sein Leben nicht von dir abhängig machen (damit bürdet er dir viel zu viel auf!), denn die Ursachen liegen viel tiefer, und damit muss er sich auseinandersetzen.

Bitte lies noch dazu:

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Liebe Grüße
Beatrice Poschenrieder

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