Sex ist für mich anstrengend und öde und danach muss ich sofort weg
Nach dem Sex mit meiner Freundin ertrage ich weder Nähe noch Zärtlichkeit, nach der Selbstbefriedigung empfinde ich Ekel und Abneigung
Hey Beatrice!
Ich würde gerne deinen Rat wissen zu mehreren Problemen meinerseits.
Ich bin mit meiner Freundin nun 2 Jahre zusammen und die Beziehung ist auch echt toll, wir verstehen uns großartig, haben auch mal Streit, aber immer viel Spaß. Nur im Sex gibt es von meiner Seite aus einige Probleme.
Erstens ist es so, dass ich eher ein relaxter Typ bin (meine Freundin nennt es “faul”) und daher den Sex als ziemlich anstrengend empfinde. Aufgrund dessen bin ich natürlich auch nicht sehr experimentierfreudig, was Stellungen betrifft, da diese mir entweder zu umständlich sind oder noch anstrengender sind als die Missionarsstellung.
Zweitens empfinde ich, sicherlich begründet durch das eben Erläuterte, den Sexakt als langweilig und öde.
Drittens habe ich das Problem, sofern man es als eines bezeichnen kann, dass ich nach dem Sex sofort weg muss. Damit meine ich, dass ich nach dem Sex ein Gefühl von Abneigung gegen jede Art von Berührung und gegen jede Art von sexuellem oder liebevollem Kontakt habe. Daher kam meine Freundin noch nie in den Genuss eines “Nachspiels” oder Kuscheln nach dem Sex, da ich sofort nach dem Orgasmus meine Hose anziehe und aus dem Zimmer stürme und erst nach 15 oder 20 Minuten wieder komme – meist geh ich eine rauchen. Ich kann mir das nicht erklären, jedenfalls weiß ich, dass es bei der Masturbation ähnlich ist. Dort bekomme ich sofort nach Samenerguss ein Gefühl von Ekel oder Abneigung gegen jede erotische Handlung.
Es wäre nett, wenn du mir helfen könntest.
Danke, Michel (20)
Lieber Michel,
obwohl ich bei meiner Internet-Liebes- und Sex-Beratung mittlerweile über 20.000 Anfragen (also Mails) bekommen habe, hat mir noch NIE ein junger Mann geschrieben, er empfinde Sex als anstrengend, umständlich und “den Sexakt als langweilig und öde”. Nun könnte man hier vielleicht noch mutmaßen, dass euer Repertoire oder euer Ablauf zu standardmäßig ist, aber die wirklich merkwürdigen Sachen schilderst du ja direkt im Anschluss: Dass du nach dem Akt direkt aus dem Zimmer stürmen musst (nicht grade schön für die Freundin!!) und “sofort nach Samenerguss ein Gefühl von Ekel oder Abneigung gegen jede erotische Handlung” (davon wurde mir erst zweimal berichtet). Und das, was du “relaxt” nennst und deine Freundin “faul” nennt, könnte in Wahrheit Passivität sein – um nicht die Verantwortung für den Sex übernehmen zu müssen (mitsamt der Scham und der Schuldgefühle, die unbewusst damit verknüpft sein können).
Das Beunruhigendste an deiner ganzen Schilderung ist allerdings dies: “dass ich nach dem Sex ein Gefühl von Abneigung gegen jede Art von Berührung und gegen jede Art von sexuellem oder liebevollem Kontakt habe”.
Du wirst es ungern hören, aber bei dir ist irgendwas ziemlich in der Schieflage – denn die Frage ist ja auch: Wenn du Sex so unangenehm findest, wieso hast du dann überhaupt welchen? Weil jedermann und jederfrau dich für gestört halten könnte, wenn du keinen willst? Und deine Freundin dir davonlaufen könnte?
Vermutlich hängen die von dir genannten Phänomene damit zusammen, dass dein Unterbewusstsein alles Sexuelle (und vielleicht auch intime Nähe) mit etwas Negativem verknüpft. Entweder durch sexfeindliche Erziehung oder durch traumatische Erlebnisse. Es kann durchaus auch sexueller Missbrauch dahinterstecken (an dir oder an einem dir nahe stehenden Menschen). Das heißt, mit meiner kleinen Beratung hier kann ich dir nicht helfen – da muss sich eine Fachperson viel intensiver mit dir auseinandersetzen. Gut wäre ein Psychotherapeut, der auch auf Sexualität spezialisiert ist.
Zusätzlich könnte die Lektüre meines Buches “Sexbewusstsein: So finden Sie erotische Erfüllung” hilfreiche Erkenntnisse liefern.
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Herzliche Grüße
Beatrice Poschenrieder
Hier das Youtube-Video zum Buch: