Ich wurde schon zweimal sexuell belästigt, bin ich selbst dran schuld?
Mehrfache sexuelle Belästigung durch einen Freund und einen Bekannten, obwohl ich von denen gar nichts wollte – habe ich es provoziert?
Hallo Beatrice!
Ich weiß nicht, wie ich mein Problem beschreiben soll, weil ich nicht genau weiß, was ich fühle… Also, ich fühle mich irgendwie benutzt, dreckig und nuttig. Warum?
Also ich hab einen Freund und mit ihm ist alles in bester Ordnung, ich liebe ihn… Aber ich war vor einem Monat auf einer Wochenendfahrt und da wurde ich von nem Freund von mir ziemlich extrem angemacht; er hat sich zu mir ins Bett gelegt und als ich wollte, dass er geht, ist er nicht gegangen, erst als ihn ein anderer Typ angeschrien hat, er solle verschwinden… Er hat mich nicht vergewaltigt, aber er hat mich angefasst, und schon seine Nähe, die ich nicht wollte (was ich ihm auch gesagt hab), fand ich unheimlich ekelhaft!
Und was an diesem Wochenende passiert ist, hab ich einem Freund von mir erzählt. Er hat mir gesagt, dass ich mir dafür nicht die Schuld geben solle, dass ich das nicht ausgelöst hätte… weil ich gedacht hatte, ich muss ja irgendetwas gemacht haben, was ihn denken ließ, ich wolle was von ihm. Naja… jetzt hatte ich das wieder einigermaßen “vergessen“, aber gestern war ich mit diesem Freund, der mich getröstet hatte, auf so nem Open-Air-Tanz-Ding (mein Freund ist derzeit weit weg zum Praktikum, deswegen war er nicht dabei); auf jeden Fall hat er mich immer angetanzt, was ich schon nicht sooo toll fand… und auf dem Nachhauseweg hat er mich immer angetascht und festgehalten, umarmt, sodass ich nicht weggekommen bin, und wollte mich küssen und so… Er weiß ganz genau, dass ich einen Freund habe, und ich fühle mich jetzt einfach sooo komisch, weil ich noch mehr meine, ich würde Männern das Gefühl geben, ich würde auf sie stehen und deswegen machen die mich so an!
Aber ich wollte von beiden nichts, und ich bin mir auch nicht bewusst, dass ich irgendwelche Signale gegeben hätte… Was mach ich denn falsch?? Dieser Freund von gestern hat sich in ner Mail entschuldigt, er könne sich für sein Verhalten nicht rechtfertigen, ich wüsste, dass er mich gut findet und es wäre der Alkohol, er hofft, dass ich ihm verzeihe, bla bla…
Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht genau, wie du mir helfen könntest. Aber es wäre schön, wenn ich einfach deine Einschätzung von der Sache bekommen könnte!
Danke für deine Zeit
Bianca (17)
Liebe Bianca,
ich denke auch, dass du an diesen beiden Situationen nicht “schuld” warst. Aber möglicherweise sendest du, ohne es zu wissen, die falschen Signale aus. Vielleicht kannst du eine gute Freundin um eine Einschätzung bitten.
Mit “die falschen Signale” meine ich zum Beispiel, dass du dich zu freizügig kleidest oder zu nett zu den Jungs bist. Versteh mich nicht falsch… ich will nicht sagen, dass eine Frau durch ihre Kleidung oder ihr Verhalten selbst dran schuld ist, wenn sie belästigt wird! Es gibt ja durchaus Frauen, die sexy rumlaufen und heftig flirten, ohne dass ihnen solche Sachen passieren wie dir – aber die verstehen es halt, durch Körpersprache und Worte ganz klare Grenzen zu setzen. Und solange du das noch nicht so drauf hast, solltest du zu deinem Selbstschutz drauf achten, wie du nach außen (auf die Kerle) wirkst.
Du kannst auch durchaus lernen, dich zu wehren: Zum Beispiel in Frauen-Selbstverteidigungs-Kursen (bieten viele Frauenzentren, Volkshochschulen etc.). Dort erlernst du nicht nur körperliche Techniken, sondern auch psychologische Grundlagen.
Außerdem möchte ich dir noch sagen, dass viele Frauen sich nach einem Erlebnis wie deinem ersten keineswegs “benutzt, dreckig und nuttig” fühlen würden, sondern sie würden einfach denken, dass der Typ eben besoffen war und sich wie ein Arschloch benommen hat. Vielleicht gelingt es dir, immer wieder die alten Gedanken (bezügl. „nuttig“) zu stoppen – durch ein bewusstes „Stopp!“ – und sie zu ersetzen durch das, was ich eben schrieb, also dass viele Männer unter Alkohol zu Vollidioten werden.
Du hattest noch Glück im Unglück, dass es nicht in eine Vergewaltigung ausgeartet ist. Nimm es als eine Lektion in Lebenserfahrung, dich das nächste Mal besser vorzusehen und so einer Situation früher aus dem Weg zu gehen – oder eben dich lautstark zu wehren.
Liebe Grüße
Beatrice Poschenrieder