Liebe Beatrice,
ich habe zwei Söhne (11 und 14 Jahre alt), lebe getrennt und damit habe ich nur begrenzten Einfluss auf die Erziehung. Es gibt aber Bereiche, in denen ich gern einen (positiven) Beitrag leisten möchte.
Der Ältere fängt an, Fragen zur Sexualität zu stellen, die ich ihm bisher auch immer ausführlich beantwortet habe. Was fehlt, ist meines Erachtens ein visueller Eindruck der Sexualität. Ich habe daran gedacht, mir mit meinem Sohn zusammen ein (softes) Pornovideo anzusehen. Ich habe allerdings Angst, damit etwas verkehrt zu machen. Ich denke allerdings, dass es besser ist, er sieht den Film mit mir gemeinsam und kann mit mir darüber sprechen, als dass er es heimlich tut. Oder, was meinen Sie dazu?
Herzliche Grüße und dankeschön,
Heiner (47)

Lieber Heiner,
ich finde es gut, dass Sie sich viele Gedanken machen, Ihrem Sohn die Sexualität näherzubringen, aber ehrlich gesagt halte ich das mit dem Pornovideo für keine so gute Idee, selbst wenn es ein “softes” ist. Denn selbst diese stellen Sex aus einer verzerrten Perspektive dar. Pornos zeigen nicht die Realität, sondern die Sexwünsche / Idealvorstellungen / versauten Fantasien von Männern.
Ich denke auch, heutzutage bekommen Jugendliche so viel über Sexualität mit, dass man es ihnen eigentlich nicht mehr vorführen muss! Zudem ist es so, dass die allermeisten Jungs von 14 Jahren schon jede Menge Porno-Material aus dem Internet auf ihrem Computer, Tablet oder Handy gesehen haben – und zwar leider eher nicht das softe Zeug, sondern ziemlich harte Darstellungen! Falls Sie denken: “Ach, MEIN Junge bestimmt nicht”, dann täuschen Sie sich wahrscheinlich, denn heute ist es so, dass Jugendliche von anderen Jugendlichen immer mal wieder Links zu Porno-Videos und Porno-Bildern aufs Handy geschickt bekommen. Im schimmsten Fall wird Ihr Sohn Sie also belächeln und sagen oder denken, “ach Papa, da hab ich schon ganz andere Sachen gesehen, lass mal stecken!”
Außerdem:
Es ist viel spannender, mit ein bisschen Vorwissen selbst herauszufinden, wie es geht, sprich, das meiste muss Ihr Sohn selbst erfahren. Wenn Sie ihm ein Video vorführen, bekommt es ein wenig Vorbild- und Lehrbuch-Charakter, und am Ende misst sich der unerfahrene Jüngling daran und fühlt sich als Versager! Er soll sich lieber selbst mit all seinen Sinnen und seiner Phantasie langsam herantasten, das ist schöner und erlebnisreicher. Das ist das Wichtigste, was Sie ihm vermitteln müssen – und dass das zeug aus dem Internet eben nicht der Realität entspricht.
Beantworten Sie ihm weiterhin seine Fragen offen, aber drängen Sie ihm nichts auf – das kann nach hinten losgehen. Falls Sie nicht über alles reden können oder wollen, gibt´s auch noch die Möglichkeit, ihm ein Buch zu kaufen, wo die Gründzüge der Sexualität für “Anfänger” / “Einsteiger” REALISTISCH dargestellt sind – z.B. «Make Love: Ein Aufklärungsbuch» von Anne-Marlene Henning.
Ganz herzliche Grüße
Beatrice Poschenrieder