Ich habe den Mann meines Lebens gefunden, nun ist er für anderthalb Jahre auf Reisen
Hallo Beatrice,
Ich bin absolut verzweifelt. Trotz besseren Wissens habe ich mich in einen Mann verliebt, der in der nächsten Zeit fort sein wird.
Wir beide haben uns vor 1 1/2 Jahren kennen gelernt, ganz zufällig durch einen Freund. Er war sofort hin und weg und wir haben den ganzen Abend miteinander verbracht. Als er am nächsten Tag wieder nach Berlin musste, versprach er sich zu melden und tat es auch. Ein paar Wochen später kam er mich dann für ein Wochenende besuchen und wir schliefen auch miteinander. Kurz bevor er wieder gefahren ist, hat er mir erzählt, dass er in einer offenen Beziehung lebt. Daraufhin habe auch ich ihm gesagt, ich sei in einer Distanzbeziehung und das wäre schon gut so.
Ich hatte damals schon ein sehr schlechtes Nachgefühl und unser Kontakt löste sich danach auf. Ich habe erst einmal nicht gelitten. Danach hatte ich diesen Mann vergessen. Doch nach einem Jahr hatten wir durch Zufall wieder Kontakt. Meine Beziehung war damals in die Brüche gegangen und er hatte seine Freundin verlassen, mit der er 6 Jahre zusammen gewesen war. Ich dachte mir, wieso sollte ich nicht zulassen, dass er mich nochmal besuchen kommt. Wir haben uns auf Anhieb verstanden, ich konnte mit ihm reden, er war nicht darauf bedacht Sex zu haben; seitdem kam er immer mal wieder bei mir für ein Wochenende vorbei, und langsam kam bei ihm auch immer mehr die Lust zum Sex hervor. Die hatte er schon vorher, aber er erzählte mir, dass er noch nicht mit vielen Frauen geschlafen hätte und einfach Zeit brauchte.
Wir haben uns immer besser verstanden und ich besuchte ihn dann auch endlich einmal für volle 10 Tage, die längste Zeit, die wir miteinander verbracht haben. Vorher waren es ja immer nur 2 Tage gewesen. Es war die schönste ehrlichste Zeit, die ich je mit einem Mann verbracht habe. Wir beide konnten uns fallen lassen und fingen uns gegenseitig auf. Ich wusste auch, dass er danach für 6 Monate eine Weltreise mit Wanderungen durch abgelegene Länder usw. machen wollte und danach für 1 Jahr nach Neuseeland zum Studium gehen würde. Doch wir ließen uns beide voll aufeinander ein und meine Liebe wuchs von Tag zu Tag. Wir beide konnten unsere Gefühle füreinander einfach nicht einstellen.
Jetzt ist er fort. Ich habe noch Kontakt über Internet mit ihm, jeden Tag mehrere Mails. Ich kann fühlen, dass er mitleidet. Aber in ein paar Tagen wird er sich in die Himalayaländer begeben und dort für 4 Monate in ein abgeschottetes Kloster ziehen. Der Kontakt wird nicht total abbrechen, aber sehr sehr gering sein. Gerade weil er dies alles macht, liebe ich ihn so.
Ich selbst werde in 2 Wochen für ein Jahr zum Studieren nach England gehen. Erst in 10 Monaten werde ich ihn besuchen können und erst in ca. 5 Monaten werden wir uns über Webcam und Internet sehen und schreiben können. Ich habe Angst vor diesem Loch.
Wir haben uns beide eingestanden, dass wir nicht keusch bleiben müssen. Freie Liebe vertreten wir beide. Davor habe ich keine Angst. Aber tief in meinem Inneren weiß ich, dass die ganze Geschichte doch kein Hand und Fuß hat. Dann weiß ich aber auch, dass er der Mann ist, auf den ich warten muss. Er wird nach Deutschland zurückkommen und ich liebe diesen Menschen zutiefst. Es ist keine törichte Liebe und auch kein verzweifeltes Festhalten. Wer weiß schon, was sein wird, nach all den Monaten?
Alle, die diese Geschichte hören, schauen mich mit Mitleid an und ich spüre, was sie denken: „Du arme Kreatur, wie kannst du nur so dumm sein!“ Die Blicke verraten es und einige schauen mich nur lächelnd an und sagen, ich sei zu romantisch. Vielleicht sehe ich die Wahrheit nicht, Beatrice. Aber vielleicht sehen sie auch all meine Freunde nicht, die darüber nur mit dem Kopf schütteln können.
Ist denn mein Verhalten so kindisch? Ich liebe diesen Menschen, ich will versuchen ihn zu halten. Ich will nicht, dass er für mich zurückkommt und seinen Traum aufgibt, ich will ihn so wie er ist. Darf ich so denken? Oder wird mich das alles noch tiefer in Zweifel und Angst werfen? Ich weiß es nicht und ich kann von niemanden eine Lösung für meine Trauer verlangen. Sagen Sie mir nur, würden Sie einen Menschen, dessen Seele Sie berührt hatten, ohne jeden Kampf ziehen lassen und ihn einfach aufhören zu lieben, nur weil er sich für einen Weg entschieden hat, der nicht leicht sein wird?
Eva (22)
Liebe Eva,
ich sag mal „du“, okay? Also… Wieso solltest du dumm, töricht oder kindisch sein, wenn du dich in einen Mann verliebst, nur weil er zufällig für einige Zeit nicht da sein wird? Andererseits scheint mir, dass du dazu neigst, Herzensangelegenheiten zu dramatisieren. Da ist die Rede von Zweifel, Angst, Trauer, Kampf, Verzweiflung: Mir ist nicht ganz klar, warum du etwas problematisierst, was man gar nicht problematisieren muss. Ich kann mir vorstellen, dass deine Freunde dich eher deswegen mitleidig oder kopfschüttelnd anschauen!
Natürlich ist es schade, dass ausgerechnet der Mann, der der Richtige für dich zu sein scheint, jetzt so lange weggeht. Das macht erst mal traurig, wehmütig und sehnsüchtig. Aber ich frage mich, warum du die Dinge nicht einfach auf dich zukommen lässt? Musst du denn jetzt schon genau wissen, wie groß genau eure Zukunftschancen sind? Das kann man doch nie genau wissen, nicht einmal bei einem Mann, den man täglich sieht.
Du musst weder warten noch keusch bleiben noch dich von allen Verehrern fernhalten. Du kannst, bis er zurückkommt, andere Männer kennenlernen und Daten. Entweder es ist irgendwann einer dabei, der bei dir noch stärke Gefühle hervorruft als der jetzige, oder eben nicht. Und er wird es ähnlich halten. Wenn ihr beide wirklich füreinander gemacht seid, dann könnt ihr auch in einem oder anderthalb Jahren wieder zusammenkommen. Vielleicht habt ihr dann sogar eine bessere Basis als jetzt. Du bist dann weiter mit deinem Studium, und er wird sich nach dieser großen Reise leichteren Herzens an einem festen Ort und bei einer bestimmten Person niederlassen können.
Herzlichst
Beatrice Poschenrieder