Ich war glücklich mit meinem Freund, doch plötzlich sagte wieder etwas in meinem Kopf, dass ich auf Frauen stehe. Ich habe mich sofort getrennt
Hallo Frau Poschenrieder,
ich bin zur Zeit in einer ziemlich beklemmenden Situation und weiß nicht so recht weiter.
Also mein Problem ist ziemlich komplex: ca. seit meinem 11. Lebensjahr beschäftige ich mich mit der Frage, ob ich lesbisch bin. Dafür gab es nicht mal einen konkreten Auslöser… es klingt merkwürdig, aber ich stand in einer Umkleidekabine und wie ein Geistesblitz kam dieser Satz in meinen Kopf: „Ich bin lesbisch“. Das zerriss mich total und ich wusste gar nicht, was ich tun sollte… Ich hab dann mal im Internet geguckt und an diversen Beispielen gemerkt, dass ich wirklich lesbisch sein könnte. Zu dieser Zeit fand ich Frauen auch attraktiver als Männer… aber ich war ja noch ein Kind. Jedoch ließ mich diese Frage nie los… ich hab sie immer verdrängt über die Jahre und gedacht, ich finde schon noch den Richtigen.
Als ich 16 war, habe ich mich in meinen Volleyballtrainer verliebt. Ich dachte, dass ich ja sonst nie wissen könnte, ob ich nur auf Frauen stehe, wenn ich mich nicht auf ihn einlasse und es mit ihm probiere. Ich fand auch das Körperliche mit ihm sehr schön, obwohl er mir mehr Zuwendung in dieser Hinsicht schenkte als ich ihm… ich fand es trotzdem sehr erotisch und anziehend. Dann war Schluss mit ihm und ich habe richtig unter der Trennung gelitten; es ging mir deswegen sehr schlecht. Und dann kam wieder wie aus dem Nichts diese Stimme in meinem Kopf „Ich bin lesbisch“. Das kann doch nicht sein, dachte ich mir, du fandest alles schön mit ihm und du hast total Liebeskummer, weil Schluss ist, also kannst du doch nicht nur auf Frauen stehen.
Naja, ein paar Monate später schlitterte ich in die nächste Beziehung mit einem Mann, um den Schmerz über den ersten zu vergessen. Diese Beziehung hielt 7 Monate… ich habe ihn nicht wirklich geliebt, weil ich noch zu sehr an meinem ersten Freund hing, aber das Körperliche hat mir trotzdem sehr gut gefallen. Ich wollte sogar immer mehr als er… bis wir beide unser erstes Mal miteinander hatten, und es war schön. Während dieser Zeit hatte ich nie den Gedanken, lesbisch sein zu können… bis er Schluss machte.
Ich beschloss erstmal alleine zu bleiben und die zwei gescheiterten Beziehungen zu verarbeiten. Anfangs ging es mir damit auch gut, bis wieder und wieder diese innere Stimme in mir aufkam, „Du bist lesbisch.“ Ich war bisher noch nie wirklich in ein Mädchen oder eine Frau verliebt und habe auch noch keinerlei sexuelle Erfahrungen mit einer gemacht, wie kann diese Stimme dann immer kommen?! Ich hab mich mit dieser Frage sehr lange beschäftigt und bin zu keinem Ergebnis gekommen, vielleicht auch aus Angst, dass ich wirklich lesbisch sein könnte.
Und dann kam wieder ein Mann in mein Leben, den ich schon länger gut fand und auf den ich schon ein Auge geworfen hatte. Wir kamen zusammen, obwohl ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht sicher über meine Orientierung war – vielleicht war das auch ein Fehler… Anfangs dachte ich, dass er doch nicht so mein Typ wäre, aber ich beschloss dem ganzen eine Chance zu geben, weil ich ihn ja auch schon länger im Visier hatte. Die ersten 2 – 3 Monate beschäftigte mich die Frage nach meiner Orientierung bezüglich Frauen immer noch sehr, doch dann ließ das nach. Wir fuhren zusammen in den Urlaub, verbrachten viel Zeit miteinander und kamen uns immer näher, mit allem, was dazugehörte. In dieser Zeit dachte ich, meinen Traummann gefunden zu haben und angekommen zu sein. Diese Stimme in meinem Kopf war komplett weg und ich fühlte mich so wohl mit ihm, sowohl emotional als auch sexuell. Doch dann kam vor einigen Wochen wieder diese Stimme auf (während des Geschlechtsverkehrs). Heftiger und krasser als je zuvor. Sie brachte mich sogar soweit, mit dem Mann Schluss zu machen (total überstürzt, aus dem Nichts), mit dem ich doch über 1 Jahr so glücklich und vollkommen war, und mich bei meinen Eltern und zwei guten Kumpels zu „outen“. Alles an einem Tag, es platzte einfach alles in mir raus, was sich so lange angestaut hatte und was mir so weh tat meine ganze Jugend über.
Zuerst war es sehr befreiend… aber ein paar Tage später war mir das unangenehm. Ich merkte, dass ich das so gesagt habe, obwohl ich mir selbst noch nicht ganz sicher bin, ob ich lesbisch oder bisexuell sein könnte. Oder kann ich mich selbst einfach noch nicht akzeptieren? Unter der Trennung leide ich, aber auf der anderen Seite muss ich für mich selbst herausfinden, was ich wirklich will und was ich bin…
Eine objektive Meinung oder ein Rat Ihrerseits würde mir schon viel Kraft geben und weiterhelfen
Melitta (19)
Liebe Melitta,
ich sag mal “du”, ja?
Ich versteh nicht ganz, warum du so ein großes Thema damit hast, ob du lesbisch oder bisexuell sein könntest und warum dir das “so weh tat meine ganze Jugend über” und warum du nur wegen dieser ominösen Stimme mit dem Mann, der dich glücklich machte, Schluss machst.
Was zum Teufel ist so schlimm oder schrecklich daran, dass eine Frau lesbisch oder bisexuell sein könnte??
Außerdem bist du nicht lesbisch, denn wenn du rein lesbisch wärest, würdest du dich weder beziehungsmäßig auf eien Mann einlassen, noch wäre das Körperliche schön für dich. Hingegen hat dir das Körperliche mit allen drei Männern sogar gefallen, und nach der Trennung hast du um denjenigen getrauert.
Also bist du entweder hetero oder bisexuell, aber bestimmt nicht lesbisch (und selbst wenn du es wärest, wäre das nichts Schlimmes).
Ich sehe auch bisher keine Anzeichen für Bisexualität, außer diese komische Stimme, die auch ein Trick deiner Psyche sein könnte, weil du eventuell seit der Kindheit irgendein merkwürdiges Thema mit Männern hast; damit meine ich zum Beispiel: Wenn du in der Kindheit, vielleicht sogar schon in sehr frühen Jahren, z.B. mit 3, unschöne oder beängstigende Erlebnisse bezüglich einer männlichen Bezugsperson* hattest und dies in deinem Unbewussten gespeichert ist, dann kann es passieren, dass du später zwar einerseits wie jedes Mädchen zu Jungs und Männern hingezogen bist, andererseits deine Psyche irgendwelche Sachen macht, um dich von einer näheren Verbindung mit Jungs und Männern abzuhalten – sprich, im Unbewussten ist eine Angst da und deine Psyche versucht dich durch Tricks und Kniffe vor der “Gefahr” zu schützen.
* Anmerkung zu “unschöne oder beängstigende Erlebnisse bezüglich einer männlichen Bezugsperson”: Das muss keineswegs gleich ein sexueller Missbrauch sein, sondern das kann auch etwas sein wie: Der Vater ist ein impulsiver Choleriker, schreit und tobt oft unbeherrscht herum (sowas macht einem kleinen Kind große Angst); oder er ist Alkoholiker und unberechenbar, mal lieb, mal gemein; oder er geht auf eine Art mit der Mutter um, dass sie meistens unglücklich ist; oder oder oder…
Wie auch immer:
Selbst wenn du bisexuell sein solltest, heißt das KEINESWEGS, dass du keine feste Beziehung mit einem Mann haben kannst. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso du mit deinem letzten Freund Schluss gemacht hast! (Es sei denn, auch dies war eine Finte deiner Psyche, weil du im Unterbewusstsein Angst vor festen Beziehungen hast.)
Anders gesagt: Hol ihn dir zurück und sei wieder glücklich mit ihm!
Und lass dich von dieser blöden Stimme nie wieder so beeinflussen. Sag ihr einfach, sie soll die Klappe halten. Denn wie ich dir schon aufzeigte: Sie hat Unrecht (du bist nicht lesbisch).
Herzlichst
Beatrice Poschenrieder