Hallo Beatrice,
ich schreibe dir, um meine Wut loszuwerden.
Nachdem die Trennung zu meiner Freundin (33) nun etwa zwei Monate zurückliegt, befinde ich mich gleichsam in einem Zustand der Verdrängung und Aufarbeitung.
Meine Freundin und ich waren ca. 1,5 Jahre zusammen, davon die Hälfte räumlich getrennt. Zu Beginn unseres Kennenlernens hatte ich immer wieder Zweifel bezüglich meiner Gefühle. Ich konnte mich aufgrund unserer Unterschiedlichkeit nicht auf sie einlassen, sah weder eine Beziehung noch Zukunft. Daraus machte ich auch keinen Hehl. „Leider“ kam es dann doch zu wiederholten Annäherungen, die meist durch sie forciert wurden. Ich fühlte mich absolut zu ihr hingezogen. Aber verliebt war ich nicht.
Nach etwa zwei Monaten – noch immer konnte ich mir keine Zukunft mit ihr vorstellen – ging ich für zwei Monate ins Ausland. Sie besuchte mich dort und in diesen Tagen erlebte ich plötzlich ein starkes Gefühl des Verliebtseins, was mich sehr überraschte. Unsere Verschiedenheit wurde mir auch dort bewusst, doch begann ich das erste Mal von Zukunft zu sprechen und hoffte, durch Verständnis und Kompromisse unsere Unterschiedlichkeit überbrücken zu können. Da jedoch von ihrer Seite zu wenig in diese Richtung kam, folgten diesem Auslandsaufenthalt Phasen der Trennung und Versöhnung. Nach diesen Trennungen, die von mir ausgesprochen wurde, zogen wir nie einen wirklichen Schlussstrich, trafen wir uns und die Gefühle flammten auf. Rationalität war nie unsere Stärke.
Dann ging sie für fünf Monate ins Ausland. Ihr zweiwöchiger Aufenthalt zu Hause brachte neue Streitereien hervor, die zum Teil stark eskalierten. Ich klammerte mich – sie wohl auch – an die Hoffnung, dass wir uns nur zusammenraufen müssten. Auszuhalten aber war diese Situation nicht – für beide.
Nach ihrer Rückkehr schien sie verändert und war es bis zu unserer endgültigen Trennung. Ihre Veränderungen betrafen nicht nur unsere Beziehung, auch Freunde, Familie. Sie fiel in eine Depression, die ich leider erst zu spät erkannte, denn ich reagierte in dieser Phase mit Forderungen und Erwartungen. Nachdem wir uns täglich stritten, ich unter ihrer Lieblosigkeit litt, setzte ich ihr ein Ultimatum, dass sich etwas ändern müsse. Daraufhin trennte sie sich, da sie zu jenem Zeitpunkt keine Kraft besäße, die Beziehung aufrecht zu erhalten und da sie sich nicht 100% über ihre Gefühle im Klaren war. Mir fiel es sehr schwer, dies zu akzeptieren, da ich im Gegensatz zu ihr noch an eine Fortsetzung glaubte. Nach einer Zeit des Kampfes gab ich auf und ließ sie ihren Weg gehen, auch in der Hoffnung, sie könne sich ohne mich völlig auf sich konzentrieren. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt eine Therapie begonnen.

Die folgende Zeit warf mich völlig aus der Bahn, in jeglicher Hinsicht. Nach der schlimmsten Zeit nahm sie plötzlich wieder den Kontakt auf. Ich ging auf ihre Annäherungsversuche nicht ein. Dafür war die Angst eines Rückfalls zu groß. Dann bat sie mich um ein Gespräch.
Ich traf sie trotz meiner starken Bedenken, was ich wohl bis heute bereue. Ihr Vorschlag, einen Neuanfang zu wagen, verunsicherte mich. Sie versprach, dass ausreichend Gefühle für mich da wären. Ich glaubte ihr und war – trotz aller Skepsis und Angst – gewillt, ebenfalls an einen Neuanfang zu glauben.
Unser Neuanfang lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Gefühlskälte, Lethargie, Depressivität ihrerseits. Ich versuchte Verständnis für sie aufzubringen, für sie da zu sein, doch wurden die Zweifel immer lauter, dass ihre Gefühlskälte nicht nur von der Depression herrührte, sondern von den nicht ausreichenden Gefühlen. Immer wieder versuchte ich ihr Verhalten zu entschuldigen, bis ich nicht mehr konnte. Ihre Kälte hatte mich zu einem grübelnden, traurigen Menschen werden lassen. Ein letzter von mir forcierter Streit erlaubte dann kein Zurück mehr, und seitdem herrscht Schweigen.
Bei jedem zufälligen Treffen sucht sie ein Gespräch. Ich bin dazu nicht fähig und überfordert. Ich denke, sie hat diesen Neuanfang nur halbherzig gewollt hat und das macht mich krank, weil es mir nun viel schlechter geht als nach der ersten Trennung. Mittlerweile bin ich froh, dass wir es endlich geschafft haben, voneinander loszukommen.
Trotzdem verspüre ich diese unbändige Wut, wenn ich an die letzte Zeit zurückdenke. Wie werde ich sie los?
Habe ich nach dem, was ich ihr teilweise angetan habe, überhaupt ein Recht darauf, wütend auf sie zu sein?
Wäre für eine Antwort sehr dankbar
C. (35)
Hi C.,
du fragst:
„Habe ich nach dem, was ich ihr teilweise angetan habe, überhaupt ein Recht darauf, wütend auf sie zu sein?“
Du meinst mit „ihr angetan“, dass du dich in eurer Anfangszeit ein paarmal getrennt hast, weil es bei euch immer wieder Zerwürfnisse und Enttäuschungen gab? Nun ja, das ist ja relativ normal und verständlich. Vor dem Neuanfang hat sie dir ja versprochen, “dass ausreichend Gefühle für mich da wären”. Aber offensichtlich reichten sie doch nicht aus…
Und es ist ja nicht deine Aufgabe, ihre Depressionen und sonstigen negativen Gemütszustände aufzufangen.
Vielleicht bist du teilweise so wütend, weil sie dich teilweise als Therapeutin benutzt hat, als Retterin aus ihren Tiefs.
Klar hast du ein Recht, wütend auf sie zu sein. Und dass du das bist, verstehe ich. Sie hat euer Zusammenkommen forciert, ohne auf deine Zweifel einzugehen, und sie hat den Neuanfang veranlasst – um dich dann mit ihrer Depressivität und Gefühlskälte runterzuziehen und dir eine wirklich üble Zeit zu bescheren – die dir auch hätte erspart bleiben können.
Was ich jetzt sage, ist vielleicht nicht nett, aber ernst gemeint: Mir scheint, diese Frau sollte keine Beziehungen eingehen, solange sie nicht gründlich (und erfolgreich) therapiert ist.
Vielleicht ist die Wut auch gegen dich selbst gerichtet – weil du dich immer wieder hast einwickeln lassen trotz aller Warnzeichen?
Du willst wissen, wie du die Wut loswerden kannst.
Nun ja, erst mal ist die Wut was Gutes. Sie ist der erste Schritt zur endgültigen Löslösung, deswegen kannst du sie ruhig erst mal zulassen. Manchen hilft es z.B., ein Foto der/des Verflossenen an einen Baum oder eine Wand zu pinnen und unter wüsten Beschimpfungen mit Pfeilen zu beschießen. Oder alle Andenken an diese Person zu vernichten, z.B. zerfetzen oder verbrennen oder beides.
Aber irgendwann muss man die Wut auch wieder loswerden, weil sie deinen Alltag behindern kann. Folgendes hilft:
1) Unterbinde jeglichen Kontakt mit ihr. Jedes Treffen, jedes Gespräch, jede Nachricht von ihr kann dir nur schaden, dich runterziehen und das Leid verlängern. Zieh einen radikalen Schlussstrich.
2) Schreib ihr einen Brief, in dem du all deine Wut ausdrückst, und schick ihn entweder gar nicht ab, sondern verbrenne ihn, oder schick ihn ihr mit dem Vermerk, dass du keine Antwort wünschst und auch keinen weiteren Kontakt.
Sollte sie drauf antworten, öffne den Brief nicht, lösche die Nachrichten sofort, geh nicht ans Telefon. Das würde deine Wut nur verlängern.
3) Hör auf mit der Grübelei und der Schwermut (ist da auch Selbstmitleid dabei?), betrachte diese Ex-Beziehung als eine bittere aber lehrreiche Lektion und fang wieder an zu leben. Geh unter Leute, triff dich mit Freunden/innen, die dir gut tun, lerne neue kennen, mach dich zurecht, geh aus, lass es krachen, leg dir eine Geliebte zu und hab guten Sex.
Ferner lege ich dir zwei Bücher ans Herz, die dich weiterbringen werden:
• «Liebeskummer lohnt sich doch: Co-Abhängigleit in der Beziehung und die Ängste des Inneren Kindes (Koregaon)»
• «Ich muss nicht alles glauben, was ich denke: Das Grübeln beenden, gelassener leben»
Gute Besserung
Beatrice Poschenrieder