Ich weiß, dass meine Freundin mich liebt. Trotzdem bilde ich mir so oft ein, sie zu verlieren, dass ich weine, streite oder eifersüchtig bin
Liebe Beatrice!
Trennungsangst bzw Verlustangst ist das Problem, mit dem ich mich an dich wende.
Meine Freundin und ich sind jetzt knapp zwei Jahre zusammen. Sie ist 20, ich bin 24 und wir sind auch schon verlobt. Aber seit einiger Zeit ist es so, dass ich mir immer vorstelle: Was wäre, wenn jetzt Schluss ist. Ich steigere mich da immer so rein, dass ich manchmal sogar anfange zu weinen. Ich liebe sie über alles, und sie zu verlieren würde ich nicht verkraften.
Meine Beziehungen davor waren nie so wie diese. Das Gefühl gegenseitiger Liebe, Verständnis, einen so zu nehmen wie man ist, kein Ausnutzen… Natürlich gibt es auch Sachen, die mich stören, aber das machen die guten Eigenschaften wieder wett.
Das klingt jetzt alles vielleicht wie die Probleme eines Teenies, aber ich hab echt schwer daran zu beißen. Zumal noch dazukommt, dass ich ein sehr geringes Selbstbewusstsein habe.
Seitdem das so ist mit dieser “Was ist wenn Schluss ist”-Sache, fange ich auch fast jedes Mal an zu weinen, wenn wir uns streiten. Komm mir langsam deswegen schon wie ein Weichei vor, denn für einen Mann bin ich sehr sehr sensibel. Sie sagt zwar immer, dass sie mich über alles liebt und dass ich mir keine Sorgen machen muss, aber bei dem nächsten Streit oder der nächsten Sache, die ich wieder viel zu sehr auf mich beziehe oder zu persönlich nehme, denk ich da nicht mehr dran. Klar, Streit kommt in jeder Beziehung vor, aber bei uns kommt es wegen Kleinigkeiten ziemlich häufig vor und ich denk dann halt immer, dass sie da irgendwann einfach keine Lust mehr drauf hat und wen kennen lernt, wo es halt in mancher Beziehung besser läuft als mit mir.
Ich bin nicht wie andere Jungs. Ich schlage mich nicht gerne, sondern geh dem immer aus dem Weg, ich bin kein Macho, sondern halt der liebe Schwiegersohn, wenn man das so sagen kann. Ich weiß eigentlich, dass ich mir gar keine solchen Sorgen machen muss (zumindest hoff ich das), aber wenn diese Gedanken in meinem Kopf sind, mach ich mich nur noch verrückt. Und ich kann mir halt auch vorstellen, dass ihr das irgendwann auf den Geist geht. Ich bin zwar nicht der krankhaft Eifersüchtige, der seiner Freundin verbietet auszugehen oder ihr andauernd nachtelefoniert, ich mach mich halt innerlich verrückt. Obwohl ich wirklich weiß, dass sie mich liebt und dass sie mich heiraten würde, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie nie nen anderen haben will oder nicht mal irgendwann was Neues erleben will. Und das kann ich ihr ja nicht mal verübeln, sie ist ja erst 20. Aber diese Vorstellung macht mich wahnsinnig! Ich bin doch dann fast beziehungsunfähig. Denn ich glaube, bis ich je wieder jemanden so lieben und vertrauen kann wie ihr, vergeht eine Ewigkeit. Dann mach ich mich ja noch verrückter als bei ihr, wo ich mir eigentlich gar keine Gedanken machen muss.
Das alles wär bestimmt nicht so schlimm, wenn ich etwas mehr Selbstbewusstsein hätte. Aber es ist nunmal so und ich kann daran nicht wirklich viel ändern, weil es in der nächstähnlichen Situation sowieso wieder alles in mir ausbricht. Manchmal denk ich, dass ich vielleicht einfach zu lieb bin. Aber so bin ich nunmal. Es gibt Mädchen, die mögen das (wie meine Freundin), und andere brauchen mehr den Machotypen.
Für einen Typen bin ich wirklich schon fast zu sensibel. Aber ich sag immer: Besser wie eine Mimose heulen als alles in sich hineinfressen.
Vielen Dank im voraus!
André (24)
Lieber André,
du schreibst:
«Seitdem … fange ich auch fast jedes Mal an zu weinen, wenn wir uns streiten. Komm mir langsam deswegen schon wie ein Weichei vor, denn für einen Mann bin ich sehr sehr sensibel. Sie sagt zwar immer, dass sie mich über alles liebt und dass ich mir keine Sorgen machen muss, aber bei dem nächsten Streit oder der nächsten Sache, die ich wieder viel zu sehr auf mich beziehe oder zu persönlich nehme, denk ich da nicht mehr dran. Klar, Streit kommt in jeder Beziehung vor, aber bei uns kommt es wegen Kleinigkeiten ziemlich häufig vor und ich denk dann halt immer, dass sie da irgendwann einfach keine Lust mehr drauf hat und wen kennen lernt, wo es halt in mancher Beziehung besser läuft als mit mir.»
Leider besteht diese Gefahr durchaus! Das größte Problem dabei ist nicht, dass ihr viel streitet, sondern dass du dein Seelenleben und deinen Gefühlszustand ganz ganz stark auf deine Freundin, auf ihr Verhalten und auf euer Verhältnis zueinander beziehst (man nennt das “Emotionale Verschmelzung”), das heißt im Klartext: Da du viel zu wenig Selbstwertgefühl und innere Stabilität hast, ist dein Fokus unablässig darauf gerichtet, ob sie dich gut findet oder nicht und ob sie dich in der Beziehung behält oder dich vielleicht bald rauswirft. Unglücklicherweise fördert genau diese emotionale Verschmelzung, dass sie dich eventuell tatsächlich mal aus ihrem Leben wirft, denn wenn ein Mann seelisch so stark abhängig ist von der Partnerin, ist das alles andere als sexy – es ist unsexy und auf Dauer sehr anstrengend.
Es gibt nicht nur zwei Typen Mann, nämlich das Weichei und den Macho, und es gibt nicht nur die zwei Optionen “wie eine Mimose heulen oder alles in sich hineinfressen”!! Es gibt tolle, beziehungsfähige Männer, die weder heulen noch Dinge in sich reinfressen; das sind die, die echtes Selbstwertgefühl und ganz viel innere Ruhe entwickelt haben.
Als einen der Gründe, warum du so übersensibel bist, nennst du einen Mangel an Selbstbewusstsein, und du meinst, «es ist nunmal so und ich kann daran nicht wirklich viel ändern».
Mit Verlaub, das ist Unsinn. Natürlich kannst du das ändern, du MUSST sogar, wenn du deine Freundin und alle Frauen vor ihr und nach ihr verlieren willst. Allerdings geht es nicht exakt ums Selbstbewusstsein, sondern um das, was ich bereits erwähnte: Du hast viel zu wenig Selbstwertgefühl und innere Stabilität, genau daran musst du arbeiten, und zwar so schnell wie möglich, denn deine Partnerin wird diese starke Trennungsangst, die Heulerei und die Streiterei nicht lange aushalten.
Es wird auch nicht reichen, wenn du in Eigenregie (also allein) daran arbeitest, sondern du brauchst einen richtigen Psychotherapeuten (oder -in). Ich mach sowas übrigens auch, aber natürlich nicht im Rahmen dieser kleinen kostenlosen Beratung, da wir viele Stunden intensiv miteinander arbeiten müssten (siehe www.liebesberaterin.de).
Bitte lies dazu auch folgende Beiträge:
• Ist eine gewisse Verlustangst normal?
• Verlustängste: Ich habe ständig Angst, meinen Partner zu verlieren
• Therapie gegen Eifersucht und Verlustängste?
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• Große Liebe gefunden, nun quälen mich Verlustängste, Eifersucht, Depressionen!
Liebe Grüße
Beatrice Poschenrieder